Wehklagen

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Mittwoch, 01.09.2114

Norina: "Hat dein kleiner Bruder diese Geschichte über uns verbreitet?"
Vincenzo, panisch: "Ich hab keinen Bruder."
Norina: "Stimmt, weil ich ihn umbringen werde."

Andrea Loredan:
Liebes Tagebuch,
Serena hat es echt nicht leicht! Und ich, ich sowieso nicht. Heute habe ich einiges über sie erfahren. Wir hatten unser erstes richtig tiefgründiges Gespräch. Sie ist noch nicht lange auf unserem Stützpunkt und hat deswegen oft genug fieses Heimweh. Ihr Vater wohnt in Fiumicino, das ist ein Stückchen weg von Rom. Oft kann sie ihn nicht besuchen, obwohl sie ihn so viel lieber hat als ihre Mutter. Die Hausmeisterin ist mir noch nie negativ aufgefallen, aber durch Serenas Blickwinkel betrachtet kommt sie mir auch nicht so nett und fürsorglich vor. Jolina Tranqullita scheint ein echtes Arbeitstier zu sein. Zum Glück bin ich ja da, um mich um Serena zu kümmern. Du wirst sehen, meine familienbewusste Seite wird sie glatt umhauen, wenn sie uns demnächst besuchen kommt.
Vincenzo und Norina wollte ich auch etwas Gutes tun. Die beiden verstehen sich so meist super und da dachte ich, helfe ich ein wenig nach. Es kam mir sehr gelegen, dass Norina bei uns übernachtet hat und das sogar in Vincenzos Bett! Nur eben ohne Vincenzo selbst, aber das ist ein unwichtiges Detail.
Ich habe Stanrick und Rafael von unserem Übernachtungsgast erzählt. Die Geschichte hat gleich die Runde gemacht. Natürlich war das Absicht. Ich dachte schließlich, wenn Vince und Norina für ein Paar gehalten werden, dann würden sie auch bald eins werden. Vermutlich hätte Vince da sogar mitgemacht, aber Norina wurde zur Furie. Durch den halben Stützpunkt hat sie mich gejagt. Und da Serena gerade mit mir unterwegs war, musste auch sie fliehen.
Eh wir es uns versahen, waren wir in einem abgelgenen Gang gelandet. Ein wirklich ausgezeichnetes Versteck, hätten wir da nicht das Unglaubliche mitbekommen. Ich kann es kaum beschreiben. Allein wenn ich daran denke, läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich versuche es trotzdem:
Wir gelangte nach einer Weile in dem Gang an eine Jahrhunderte alte Steinmauer. An einer Stelle war der Stein etwas weggebrochen und dort war ein kleines Loch, das wir aus Neugier etwas vergrößerten. Viel war hinter der Mauer zuerst nicht zu sehen. Nur ein weiterer Gang, dachten wir. Aber dann hat sich tatsächlich etwas bewegt. Nicht nur etwas, sondern jemand: Einer von der Schweizer Garde marschierte direkt an uns vorbei!
Ausgerechnet der Vatikan muss an unseren Sützpunkt grenzen und ausgerechnet wir müssen das entdecken ...
Doch damit nicht genug. Der Vatikan, der uns Hexenmeistern im wahrsten Sinne des Wortes ständig die Hölle heiß macht, scheint dort unten einen von uns gefangen zu halten. Anfangs hörten wir nur ein fürchterliches Wimmern. Eisenketten und ein Wimmern. Kannst du das fassen? Sie halten dort jemanden mit mittelalterlichen Methoden gefangen. Und auf einmal fegte ein unkontrollierter Wirbelsturm den Schweizer Gardisten fast von den Füßen. Jetzt waren wir uns sicher: Da war ein Hexenmeister, der unsere Hilfe brauchte.
Hals über Kopf haben wir uns natürlich nicht in die Gefahr gestürzt, obwohl wir ein schlechtes Gewissen hatten, einfach zurückzugehen. Aber wir haben lieber Vincenzo und Norina Bescheid gesagt. Über diese schlechte Nachricht war auch fast Norinas Ärger über mich verflogen. Leider nur fast.
Die nächsten Tage werden wohl abenteuerlicher als uns lieb ist. Vielleicht kehren wir danach als Helden zurück!
Andrea

Norina:

Ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich mich dermaßen aufgeregt habe. Und angesichts von dem, was wir gerade erfahren haben, komme ich mir umso alberner vor. Ein Hexenmeister, gefangen in den Katakomben des Vatikan! Da sieht man doch, dass sich diese katholische Kirche seit dem Mittelalter kein Stück weiterentwickelt hat! Wenn sie könnten, würden sie immer noch jeden vor ein Inquisitionsgericht stellen, der sie kritisiert. Und Hexen verbrennen. Und mein Vater würde in der ersten Reihe stehen.

Wir haben erst mal beschlossen, die Hausmeisterin nicht mit ins Vertrauen zu ziehen. Sie würde sowieso nur von diplomatischen Komplikationen sprechen oder das Ganze überhaupt vertuschen wollen. Vielleicht hat sie es sogar schon vertuscht, denn wie kann es sein, dass ein Luftmagier verschwindet, ohne dass die Leitung des Stützpunktes irgendetwas davon mitbekommt? Ihre Tochter ist auf unserer Seite. Serena hat wahrscheinlich ihre eigenen Gründe, weshalb sie lieber unseren Plan unterstützt, als uns an Donna Tranquilitta zu verraten. Langsam glaube ich, dass sich Andrea da jemanden ausgesucht hat, der einen guten Einfluss auf ihn ausüben kann. Jedenfalls werden wir uns erst einmal umhören, ob es Gerüchte gibt, ob irgendwer als Vermisst gilt. Wer sitzt da unten gefangen? Wie lange schon? Und warum? Und wenn er mächtig genug ist, einen Tornado durch die Gänge zuschicken, warum hat er sich nicht schon längst selbst befreit? Nun, wir werden es herausfinden. Wir werden noch Rafael und Paola einweihen. Und dann durch diese Wand gehen.

Ich kann immer noch nicht einschätzen, wie weit sich die Hausmeisterin verändert hat. Oder ob sie einfach nur noch vorsichtiger geworden ist. In der Speisekammer habe ich heute den Mut gefunden, offene Worte zu finden, immer mit Vincenzo im Hinterkopf. Donna Trangulitta behauptet, die Verhandlungen mit China laufen gut und meine Leute sind bald auf dem Nachhauseweg. Mein "alle bis auf eine" hat sie erst mal versucht zu überhören. So ehrt sie dein Opfer, Mariella! Kein Wunder, dass ich ihr zutraue, einen armen Luftmagier im Keller des Vatikan versauern zu lassen! Nun, ich habe ihr ein Ultimatum gestellt: Ich übernehme die Seniorengruppe wieder - aber nur, wenn sich die Versammlung nächsten Monat gegen die militärische und lobbyistische Ausnutzung unserer Kräfte entscheidet.

Als die Hausmeisterin dann auch noch mit seltsamen Bemerkungen über Knoblauch im Bruscetta anfing und wissen wollte, ob Vincenzo dann wenigstens auch welches gegessen habe, ist der Groschen gefallen. Es war ja schon schlimm genug, sich von Mr. Rickman einen Vortrag anhören zu müssen, ich solle mit dem Übernachten in fremden Betten wenigstens bis zur Verlobung warten. Aber offenbar hatte die Geschichte, wo ich die Nacht verbracht hatte, schon im ganzen Stützpunkt die Runde gemacht. Natürlich hat Andrea "vergessen" zu erwähnen, dass ich allein in Vincezos Bett lag. Da bin ich einfach komplett an die Decke gegangen! Ich mag es schon im betsen Fall nicht, wenn man über mich tratscht, aber dann auch noch das! Vincenzo hat versucht, seinen kleinen Bruder zu schützen und mich aufzuhalten auf unserer Jagd durch das unterirdische Labyrinth. Am Ende waren wir genauso verirrt wie Andrea und Serena, noch mehr vielleicht, weil wir im Gegensatz zu dem kleinen Luftmagier nicht mal die Chance hatten, unsere Magie zur Orientierung einzusetzen. Aber ich bin froh, dass Vincenzo da bei mir war. So, wie ich mich momentan aufführe, könte er auch einfach sagen: Ah, vergiss die Zicke! Er ist ein guter Freund.



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