Die Roland-Chroniken V: In der Falle

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Roland vergrub das Gesicht in Aorakis Nackenfell. Der Hütegreif wandte den Hals und schnäbelte zärtlich seine Schulter. „Ja, mein Lieber, ich weiß“, murmelte Roland, trat einen Schritt zurück und fuhr fort, Aorakis Flanken zu bürsten. „Ich kümmer mich viel zu wenig um dich. Aber es dauert nicht mehr lange, dann können wir wieder fliegen. Und zwar nicht so hektisch wie unser erster Ritt.“ Er klopfte Aoraki gegen das rechte Vorderbein, worauf dieser die Pranke hob. Roland untersuchte die langen Krallen. „Die muss ich dir bald mal wieder schneiden. Aber wenn du erst mal mit der Arbeit anfängst, wetzt du sie dir ganz von alleine ab, wirst schon sehen.“ Schließlich zog Roland die Schuhe aus und rollte seinen Schlafsack auf einem Strohhaufen in der Ecke aus. Er hatte Juro darüber informiert, dass er die Nacht im Stall verbringen würde. Das neue Quartier war einfach viel zu groß, um gemütlich zu sein, egal, was Sandrose alles mit Blumen und bunten Tüchern anstellte. Und er brauchte einfach mal wieder eine Auszeit. Das Gefühl, ein lebendiges Wesen um sich zu haben, das keine Fragen stellte, das ihm bedingungslos vertraute. Ein paar Stunden, in denen er sich einbilden konnte, alles wäre wieder einfach und er wäre nicht verantwortlich für dieses Pulverfass aus 10.000 Menschen. Als wäre sein bester Freund nicht der Anführer einer Truppe, die diese Menschen jederzeit erschießen konnten, wenn es zwei durchgeknallten Adeligen gefiel.
Aoraki hatte die Beine unter seinem Bauch zusammengefaltet. Plötzlich aber hob das Tier den Kopf und stieß einen fragenden Laut aus, eine Mischung aus Knurren und Piepsen, wie es nur ein Hütegreif hervorbringen konnte. Er bauschte seine Flügel und sprang auf, den Blick auf die Tür seines Verschlags geheftet. „Was ist los?“ Roland flüsterte unwillkürlich. Er tastete mit der einen Hand nach seinem Com-Gerät, mit der anderen nach der Laserwaffe. Das war nicht Aorakis übliches Verhalten, wenn ein paar Tierpfleger draußen vorbei gingen. „Bleib!“, befahl Roland leise, aber bestimmt, und ließ die Tür der Box aufgleiten. Das Licht im provisorischen Arboretum war bereits auf Nachtruhe heruntergedimmt. Roland erhaschte eine Bewegung aus dem Augenwinkel: Jemand verschwand gerade um den letzten Container, der die Sicht auf die hintere Sicherheitsschleuse versperrte.
Rolands bloße Füße verursachten kein Geräusch, als er die paar Meter sprintete und um die Ecke spähte. Die beiden Wachposten vor dem Aufzug waren ins Gespräch vertieft. Es waren Neulinge, denen Juro diese eher unproblematische Stellung anvertraut hatte. Hier gab es nicht mehr zu tun, als einfach da zu stehen als Erinnerung für alle Arbeiter, dass die unteren Decks absolut tabu waren. Einfach – zu einfach offenbar und zu langweilig für diese beiden. Die Aufmerksamkeit hatte nachgelassen, und deshalb bemerkten sie nicht, dass gleich neben der Aufzugstür eine Lüftungsklappe offen stand, durch die gerade zwei kleine Beine verschwanden. Die Full Moon Rising war letztlich ein Transportschiff, kein Hochsicherheitstrakt. Und ein Erwachsener hätte ohnehin nicht in die enge Röhre gepasst.
Roland schob im Rennen die Laserwaffe in den Hosenbund. „Ihr zwei!“, rief er den Wachposten zu. Ihre Köpfe fuhren auseinander. Unwillkürlich nahmen sie Kampfhaltung ein, bis sie den Leutnant erkannten. „Sir...“
„Idioten!“, zischte Roland, stürmte an ihnen vorbei, ließ sich auf die Knie fallen und schob den Kopf in den offenen Luke. Es fiel gerade genug Licht hinein, dass er sehen konnte, wie der Schacht steil nach unten abknickte. Den Geräuschen nach zu urteilen war der Eindringling bereits am unteren Ende angekommen. Roland wollte aufspringen und stieß sich den Hinterkopf an der Schachtkante. „Verdammt!“ Er rieb sich den Schädel und stieß den Arm des Wachpostens zur Seite, der ihm hoch helfen wollte. „Schleuse öffnen!“, zischte er.
„Sir, niemand soll...“
„Natürlich soll niemand da runterfahren“, knurrte Roland, während die Fahrstuhltür aufglitt. „Der Befehl stammt unter anderem von mir. Deshalb steht ihr hier, um zu verhindern, dass so was“, er wedelte mit der Hand Richtung Lüftungsschacht, „passiert.“ Der verdammte Fahrstuhl könnte sich auch mal schneller bewegen! „Wenn dem Kind was passiert, ziehe ich euch zur Verantwortung“, sagte Roland noch, kurz bevor sich die Tür vor den bleichen Gesichtern der beiden Gerüsteten schloss.

Als Roland auf Deck 8 aus dem Fahrstuhl stürmte, brauchten seine Sinne eine Weile, um sich auf die Umgebung einzustellen. Meine Güte, sie haben wirklich alles rot gefärbt, schoss es Roland durch den Kopf. Blutrot, wie charmant.
„.. will nicht ...“
„... wenn du nicht gleich ...“
Die hellen Stimmen verstummten und drei Augenpaare starrten etwa aus Bauchhöhe zu Roland hinauf. „Kacke!“, rief eines der Kinder und rannte los, den Gang hinunter. Die anderen beiden folgten dichtauf. Ihre schlaksigen Beinchen bewegten sich wie Motorkolben.
„Halt!“, rief Roland und setzte ihnen nach. „Bleibt stehen, das ist...“ gefährlich, wollte er natürlich sagen, aber da fiel ihm ein Bedienfeld an der Wand ins Auge. Er bremste schlitternd ab und schlug mit der ganzen Hand auf die Knopfleiste.
Sofort blinkten rote Alarmlichter auf und die Feuerschotts senkten sich. Roland machte einen Satz nach vorn und rollte sich zur Seite, als die Wand direkt neben ihm auf den Boden krachte und das Tunnelstück dahinter abschloss. Roland hatte ein plötzliches Déjà-Vu. Aoraki kauert sich im Schein des schwachen PDA-Displays zusammen. Das Kratzen langer Knochenkrallen am Feuerschott. Dieser Ausdruck in ihrem Gesicht... Einen kurzen Augenblick nahmen Tränen Roland die Sicht. Er hatte lange nicht mehr an Marella und ihren schlimmen Tod gedacht.
„Warnung“, sagte eine Computerstimme. „Automatische CO2-Flutung wird eingeleitet.“
„Oh nein“, murmelte Roland und rappelte sich auf. „Stopp!“, schrie er dem System zu. „Vorgang abbrechen. Autorisierung Leutnant Roland Beagle. Vorgang abbrechen!“
„Vorgang abgebrochen“, bestätigte der Computer zu Rolands Erleichterung. „Beginne mit Analyse des Feueralarms.“
„Mach dieses verdammte Warnlicht aus, wer soll denn dabei nachdenken?“, fluchte Roland.
„Analyse läuft“, sagte der Computer nur, während der Tunnel weiter rot pulsierte.
Als ob man in einem Herz feststeckt, dachte Roland und drehte sich um. Erst jetzt konnte er sehen, das zumindest der wichtigste Teil seines spontanen Plans funktioniert hatte: Ein Feuerschott hatte den Kindern den Weg tiefer hinein in das Deck der Spinnenreiter abgeschnitten. Sie drängten sich in der entgegengesetzten Ecke zusammen und starrten mit offenen Mündern auf die Blinklichter. Allerdings war es nicht Teil des Plans gewesen, den Rückweg zum Aufzug zu versperren. Ich war wohl ein bisschen hektisch beim Knöpfchen-Drücken.
Er aktivierte sein Com. Er hatte es vorhin in Aorakis Box auf Lautsprecher gestellt, um besser arbeiten zu können. Leider hatte sich die Funktion irgendwie aufgehängt und ließ sich nicht mehr ausschalten. Na ja, nicht zu ändern. „Isabell anrufen.“
Die Kommunikationsoffizierin meldete sich augenblicklich. „Sir?“
„Isabell, kannst du bitte Käptn Stormhunter oder wem auch immer mitteilen, dass es kein Feuer auf Deck 8 gibt? Ich musste hier ein paar blöde Kids aufhalten, die sich mal die Spinnen ansehen wollten. Du kannst das sicher besser erklären. Es soll bloß nicht so aussehen, dass meine Leute auf dem Schiff Ärger machen, in Ordnung?“
„Äh ... ja, Sir. Soll ich Kontakt zum Kolumbinischen Aufklärungskommando aufnehmen, Sir?“
„Mir wär’s lieber, jemand könnte den Computer überreden, mit dem Geblinke aufzuhören und die Schotts zu öffnen. Oder besser nur das auf unserer Seite. Nummer... äh ... 8.3.“
„Ich kümmere mich darum, Sir.“
„Danke.“
Roland ließ das Gerät sinken und ging auf die Kindergruppe zu. „Also, was habt ihr euch dabei gedacht?“, fragte er. Die Kleinen – wie alt mochten sie sein? Neun, zehn Jahre? – starrten auf ihre Füße. Keine aus Harteks Gruppe und auch nicht von Dschingis, ein Glück. „Ihr wollt unbedingt Ärger machen, was? Sicherheitsposten umgehen! Rede ich gegen eine Wand? Haben eure Eltern nichts darüber gesagt, warum ihr nicht hier runter dürft?“
Die Kinder stießen sich gegenseitig an. „Doch“, sagte schließlich ein braunhaariges Mädchen mit Topffrisur.
„Und was haben sie gesagt?“
„Da wohnen Monster.“
„Genau“, sagte Roland und spürte, wie der Zorn in ihm brodelte. „Da wohnen Monster. Und Menschen mit vielen Waffen, die es gar nicht mögen, wenn man bei ihnen reinplatzt. Wir stellen Posten an den Türen auf. Wir markieren Tunnel mit roter Farbe. Sehr ihr hier irgendwo rote Farbe?“ Das Mädchen wisperte irgendwas und scharrte mit dem Schuh auf dem Boden herum.
„Wie bitte?“
„Ja“, sagte das Mädchen und biss sich trotzig auf die Unterlippe.
Roland trat noch einen Schritt näher und schaute auf das Grüppchen hinunter. Er seufzte innerlich. Was sollte er ihnen sagen? Kinder machten ihn immer so hilflos. Diese kleinen Menschen, bei denen man so viel falsch machen konnte. Und bald wird es da ein Würmchen geben, das total von dir abhängig ist. Beim Einen! „Wer sind eure Eltern?“ Jetzt starrten ihn alle drei feindselig an. Er war ein Erwachsener, ein natürlicher Verräter. Hab ich Agnes auch so angeschaut?
Das Com piepte. Roland wandte sich von den Kindern ab, fast erleichtert. „Roland, was hast du jetzt wieder gemacht?“, tönte Juros Stimme. „Wir können die Schotts nicht öffnen. Unser Zugriff wird blockiert.“
„Was soll das heißen, blockiert? Dann lass mal deine ... Beziehungen spielen und hol mich hier raus. Uns hier raus. Frag mal nach, wer drei Kinder vermisst. Dreikäsehochs, zwischen acht und zehn Jahre alt. Ein Mädchen, zwei Jungs, Geschwister wahrscheinlich.“
„Frag sie doch selbst nach ihren Namen.“ Juro klang gereizt. „Wir funken die Spinnenreiter an, aber sie melden sich nicht.“
„Scheiße“, sagte Roland, unterbrach die Verbindung und wählte die GUs an. Dass die blonden Zwillinge mit Juro immer ihre Spielchen spielten, sollte noch längst nicht heißen, dass er, Roland, dafür büßen musste.
Der Ruf ging durch und es meldete sich eine angenehme Frauenstimme. Es klang wie eine automatische Ansage. „Sehr geehrter Leutnant Beagle“, sagte sie. „Vielen Dank, dass Sie in unsere Futterfalle getappt sind. Haben Sie noch einen Augenblick Geduld. Die nächste hungrige Spinne wird Sie gleich abholen.“ Dann war die Leitung tot.
Scherzkekse! „Da habt ihr’s“, fauchte Roland und hielt den Kindern sein Com entgegen. „Jetzt fressen uns die Spinnen und ihr seid Schuld.“
Der größte Junge, ein dürres Kerlchen mit abstehenden Ohren, fing an zu schluchzen, in trockenen, hustenartigen Schüben. „Ich ... hab... gleich ... gesagt ...“, schnappte er nach Luft.
Das Mädchen legte ihm den Arm um die Schulter und sah Roland fest in die Augen. „Das ist gemein. Papa sagt, Leutnant Beagle ist ein wichtiger Mann und er beschützt uns. Aber du bist einfach gemein ... Sir“, setzte sie schnell hinzu.
Roland merkte, wie sich das kurze Aufflammen gehässiger Befriedigung in kalten Schrecken verwandelte. Wunderbar! Jetzt hast du ihn zum Heulen gebracht. Großartig, Beagle!
Er seufzte und hockte sich hin, damit er mit den Kindern auf Augenhöhe war. Die Laserpistole drückte gegen seinen Bauch, aber er wollte sie jetzt nicht ziehen. „Du hast recht, das war gemein. Ich war nur sauer, weil das echt gefährlich ist, was ihr gemacht habt.“ Das Mädchen drückte den Rücken gegen die Wand, offenbar misstrauisch über seinen plötzlichen Sinneswandel. Dem großen Jungen lief Rotz aus der Nase. „Die Spinnen werden und nicht fressen“, sagte Roland mit so viel Überzeugung, wie er aufbringen konnte. Nein, die GUs würden es nicht darauf ankommen lassen, ihn zu töten und die Zusammenarbeit mit der Ährengarde zu gefährden. Da war er sich sicher – fast völlig. „Das war nur ein blöder Witz von den Aufklärern. Aber das sollte euch beweisen, dass es wirklich, wirklich besser ist, sich von ihnen fern zu halten.“ Der Junge bekam Schluckauf vom Weinen. Roland wandte sich hilfesuchend an das Mädchen, offenbar die Anführerin der Bande: „Was kann ich tun, damit er aufhört?“
Der andere Junge, ein Blondschopf, stotterte: „M ... Mama drückt ihn an sich und s ... sagt, dass alles gut wird.“
„Hm“, sagte Roland und musterte das weinende Kind betont ausführlich. „Ich glaube nicht, dass das bei mir was hilft.“ Er spähte an sich herunter. „Ich müsste mir da noch ein Paar ... bequeme Polster wachsen lassen.“ Zu seiner eigenen Überraschung fingen die Kinder an zu kichern. Der Junge zog geräuschvoll die Nase hoch und wischte sich mit dem Hemdärmel übers Gesicht. „Also nochmal“, sagte Roland mit ruhiger Stimme. „Wie heißt ihr?“
"M ... Marvin Kahlschlag“, sagte der Kleinere. „Und das ist mein Bruder Kenny, Leutnant Beagle, Sir.“ Das klang nach Stahlaxt‘ Leuten. „Sassi“, sagte das Mädchen und nahm schnell ihren Arm von der Schulter des Jungen, um Roland mit würdevollem Gesicht die Hand entgegen zu strecken.
Roland schüttelte sie und verbiss sich ein Lachen. „Nennt mich Roland“, sagte er.

In diesem Moment gingen die Warnleuchten aus – zusammen mit jedem anderen Licht. Roland fuhr hoch und Sassi schrie kurz auf. Er spürte, dass sich ein Paar Arme um seine Beine schlang. „Ruhig“, sagte er. Er merkte, dass er die Laserwaffe gezogen hatte. Meine Reflexe werden besser, dachte er und steckte sie diesmal in die Halterung am Gürtel, den er noch trug. Damit kein Unfall passierte. „Wartet, ich habe Licht.“ Er fummelte an seinem Com herum. Der Display leuchtete auf und nach einigem Suchen fand Roland die Taschenlampen-Funktion. „Sassi, wenn du meine Beine ...“ Das Mädchen riss seine Hände zurück und senkte den Kopf, sodass Roland ihren Gesichtsausdruck nicht lesen konnte. „Kommt mit mir ein paar Schritte hier rüber zum anderen Schott“, sagte er. „Jetzt, wo der Alarm vorbei ist, werden sie uns jeden Moment aufmachen.“ Er drehte sich um, um vorauszugehen, als plötzlich kleine Finger nach seiner Hand tasteten. Marvin lächelte ihn schüchtern von unten herauf an. „Gute Idee“, sagte Roland und hörte seine Stimme einen Moment schwanken. „Kenny, nimm die Hand von deinem Bruder. Sassi, komm hier auf meine linke Seite.“ Das Mädchen schob störrisch das Kinn vor. „Bitte“, sagte Roland. „Ich würde mich besser fühlen.“ Als die Kleine seine linke Hand nahm, war ihr Griff erstaunlich fest, und Roland glaubte ein erleichtertes Aufatmen zu hören.
Er ließ sich nahe des Schotts im Schneidersitz nieder. Die drei Kinder hockten sich im Kreis um das Com, als ob es ein wärmendes Lagerfeuer wäre. Kenny schniefte noch ein wenig. „S ... Sir?“, fragte Marvin.
„Roland“, sagte Roland.
„Darf Kenny auf deinen Schoß?“ Kenny boxte ihn in die Seite. Bevor Marvin zurück schubsen konnte, hielt Roland seinen Arm dazwischen.
„Keine Rangelei, sonst geht mein Com kaputt.“ Er lehnte sich an die Wand zurück. „Wer will, darf aufsteigen. Wir können ...“ Eine Erinnerung tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Papyas Rücken, der unter ihm bockte, während er der Tox quietschend die Finger ins Fell grub, um nicht abzurutschen. „... abwechselnd Pferdchen spielen, dann geht die Zeit schneller rum.“
Natürlich war es Marvin, der zuerst auf seinem Schoß saß. „Was ist ein Pferd?“, fragte er.
Bevor Roland antworten konnte, piepte sein Com. Roland hob es auf und hielt es sich direkt vors Gesicht. „Juro“, schnauzte er. „Was ist los? Jetzt ist alles zappenduster, aber die Schotts rühren sich nicht.“
Juro sah etwas verlegen aus. „Sieht so aus, als wollen euch die Spinnenreiter noch ein bisschen schmoren lassen. Tut mir leid. Bill könnte vielleicht was tun, aber schließlich müssen wir alle ...“
„... Noch weiter gut zusammenarbeiten, richtig“, unterbrach ihn Roland. „Du feiges Aas. Genau deshalb sollten sie mich lieber so schnell wie möglich raus lassen! Wir müssen uns auch nicht alles bieten lassen, weißt du?“
Juro sah eher beunruhigt als wütend aus. „Roland“, sagte er gedehnt. „Wie geht’s den Kindern? Ich mein ... dir ist schon klar, dass jetzt nicht die Zeit ist, ihnen die Leviten zu lesen, oder?“
„Oh, keine Sorge“, sagte Roland und zwinkerte kurz den drei hellen Flecken zu, die sich ihm in der Dunkelheit alarmiert zuwandten. „Ich verspreche dir, dass diese Bande uns nie wieder Ärger machen wird. Weitere Bestrafung ist garantiert überflüssig.“ Er merkte, wie sich Marvin auf seinem Schoß wieder entspannte.
Juro sah dagegen nicht besonders entspannt aus. „Roland, ich möchte wirklich nicht, dass du ...“
„Wenn du dir so große Sorgen machst, sorg dafür, dass dieser Scheiß-Schott endlich aufgeht“, sagte Roland und kappte die Verbindung. „Wo waren wir?“, fragte er die Kinder. „Halt dich mal gut fest, Marvin.“ Er hob sein Knie ein wenig an – da piepte das Com erneut. „Schwester Zaishen, welch Überraschung“, sagte Roland und konnte nicht verhindern, dass sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Juro hat echt die Hosen voll.
„Guten Abend, mein Sohn“, sagte die Schwester. „Leutnant Smith meinte, du befindest dich in einer misslichen Lage und es gibt ein paar Kinder, die meines Trostes bedürfen.“
„Ich weiß nicht.“ Roland hielt das Com in die Mitte, mit dem Display nach oben, damit die drei darauf schauen konnten. „Braucht ihr Trost, Kids?“
Sassi beugte sich vor und winkte fröhlich in Richtung des kleinen Bildschirms. „Hallo, werte Schwester!“, rief sie. „Alles ist prima.“
„Es ist nur ein bisschen dunkel“, murmelte Kenny, kuschelte sich an Rolands Schulter und schmierte Rotz an sein Hemd.
„Juro macht sich zu viele Gedanken, Schwester“, sagte Roland immer noch grinsend. „Vielleicht könnt Ihr ihm helfen, das Aufklärungskommando zu bitten, ihr äh ... technisches Problem ein bisschen schneller zu lösen?“
„Ich werde tun, was ich kann, mein Sohn“, sagte Zaishen. „Aber ich bin sicher, dass bereits die besten Techniker daran arbeiten. Seid brav, Kinder!“
„Bis später, Schwester“, sagte Roland. Dann legte er das Com wieder als Lichtquelle vor seine gekreuzten Füße. „Also, ein Pferd ist ...“

Sassi hatte kaum Zeit gehabt, eine Runde auf Rolands bockendem Knie zu absolvieren, als sich das Schott 8.3 quietschend in Bewegung setzte. Er merkte, dass sein anderes Bein vom Hocken etwas steif geworden war. Also blieb er sitzen und blinzelte in die plötzliche Helligkeit, als die Tunnelbeleuchtung ansprang.
„Papa!“, rief Sassi und hopste von seinem Schoß herunter, um sich einem breitschultrigen Holzfäller in die Arme zu werfen, der neben Juro, Erwin und zwei sehr zusammengefaltet aussehenden Wachposten stand. Marvin folgte ihr auf dem Fuß. Nur Kenny löste sich etwas widerwilliger von Rolands Arm.
Juro trat näher und schaute auf ihn hinab. Sein Gesichtsausdruck wechselte in schneller Folge zwischen Erleichterung und Wut hin und her. Roland grinste seinen Freund an. „Immerhin waren es nicht meine Wachposten, die ihren Job nicht gemacht haben“, sagte er. Als Juro ihn auf die Füße zog – etwas grober als nötig –, wanderten die Kinder schon mit ihrem Vater den Tunnel entlang Richtung Fahrstuhl und plapperten dabei über Pferde. Zwischendurch drehten sie sich immer wieder nach Roland um und lächelten ihn an. Roland stampfte auf, um seinen kribbelnden Fuß zum Leben zu erwecken. Das Grinsen auf seinem Gesicht war weicher geworden, während er neben einem grummelnden Juro dahin schlurfte. Vielleicht wäre ich doch kein so schlechter Vater.


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